Was bedeutet MBSR?
MBSR ist eine Abkürzung und steht für Mindfulness Based Stress Reduction. Konzipiert und entwickelt wurde das Konzept von Jon Kabat Zinn, einem renommierten Molekularbiologen, Wissenschaftler und Arzt aus den USA. Initial angewandt wurde das Programm in den späten 1970er Jahren in der von ihm gegründeten Stress Reduction Clinic an der University of Massachusetts Medical School. Dort wandte er MBSR an chronischen Schmerzpatienten an, welche von ihren Ärzten in die Stress Reduction Clinic verwiesen wurden, da die etablierten schulmedizinischen Ansätze zur Linderung ihrer Schmerzen erschöpft und von unzureichendem Erfolg geprägt waren. Jon Kabat Zinn begleitete und leitete diese Patienten an beim Erlernen einer intrinsisch aktivierten Stressreduktion mit Hilfe von der Lenkung von Aufmerksamkeit und der Kultivierung von Achtsamkeit.
Die erstaunlichen Resultate, welche Jon Kabat Zinn durch MBSR an chronischen Schmerzpatienten erzielt werden konnten, führten recht bald dazu, dass die Anwendung das Programms auf eine breitere Zielgruppe angewendet wurde. Heutzutage werden MBSR-Kurse weltweit angeboten und sind in Deutschland selbst in kleinen Städten flächendeckend verfügbar. Das Programm richtet sich an Menschen, welche einen gesünderen Umgang mit Stress anstreben und sich dazu bereit erklären, sich täglichen Achtsamkeitsübungen von einer Dauer von 45-60 Minuten zuzuwenden.

Es handelt es sich um ein 8-wöchiges Gruppensupervisionsprogramm und bedient sich achtsamkeitsbasierten Elementen aus den Bereichen Hatha-Yoga, Vipassana-Meditation sowie Zen. Es verzichtet dabei bewusst auf einen spirituellen und religiösen Überbau. Hauptziel des Programms ist es, Menschen, die mit vielfältigen Herausforderungen und Stressoren des Lebens konfrontiert sind, einen strukturierten Weg anzubieten, um ihr Leiden zu mindern und ihr Wohlergehen zu erhöhen.
Was bedeutet Achtsamkeit?
Achtsamkeit wird nach Jon Kabat Zinn definiert als eine Form von Aufmerksamkeit, welche
- bewusst
- im gegenwärtigen Moment und
- ohne zu werten
geschieht.
Ein Hauptaugenmerk wird in den Übungen darauf gelegt, zu lernen, möglichst nicht-wertend und bewusst den gegenwärtigen Moment anzunehmen genau so wie er sich uns präsentiert. Dies beinhaltet alle Bestandteile des gegenwärtigen Moments, denen wir uns bewusst werden können, inklusive den von uns erfahrenen Körperempfindungen, Emotionen, Gefühlen, Sinneswahrnehmungen und Gedanken.
Wirkungen von Achtsamkeit
Die Wirkungen des MBSR-Programms wurden in den letzten Jahrzehnten vielfach auf seine Wirksamkeit wissenschaftlich untersucht und bestätigt. Ehemalige Teilnehmer des Programms berichten unter anderem über:
- erhöhte Fähigkeiten sich zu entspannen
- gesündere Bewältigungsstrategien im Umgang mit Stress
- dauerhafte Verminderung körperlicher und psychischer Symptome
- Stärkung von Selbstvertrauen und Selbstakzeptanz
- mehr Gelassenheit, Energie und Lebensfreude
Der Ablauf der einzelnen Kurstage
Die Gruppentreffen verteilen sich auf 8 wöchentliche Termine von etwa 2,5 Stunden. Zusätzlich beinhaltet der Kurs einen separaten, so genannten Tag der Achtsamkeit. Der nachfolgende Überblick über den Ablauf der einzelnen Kurstage stellt einen von vielen möglichen Kursabläufen dar. Reihenfolge und Gewichtung der einzelnen Aspekte können von Kursleiter zu Kursleiter variieren. Häufig werden vorab etwa einstündige Orientierungsveranstaltungen angeboten, in denen sich Interessenten ein erstes Bild über Inhalt und Zweck des Kurses machen können.
Kurstag 1
Der erste Kurstermin beginnt nach einem kleinen Ankommensritual in der Regel mit einer Vorstellungsrunde. Die Kursteilnehmer werden eingeladen, in wenigen Sätzen über sich und ihre Motivation, ihre Erwartungen und Wünsche an der Teilnahme am MBSR-Kurs zu berichten. Formelle Regeln sowie die strikte Einhaltung von Vertraulichkeit innerhalb der Gruppe werden besprochen. Erste Methoden zu Schärfung von Aufmerksamkeit wie die Rosinenübung werden gemeinsam durchgeführt. Es folgt ein Übergang zum so genannten Body-Scan, einer angeleiteten Übung, in der die Teilnehmer lernen, ihren Körper Schritt für Schritt bewusst wahrzunehmen. Es folgt ein jeweiliger Austausch der einzelnen Anleitungen, sei es zunächst in Zweiergruppen oder auch in der gesamten Gruppe. Hausaufgaben sowie Audioaufnahmen zum täglichen, eigenständigen Üben werden zur Verfügung gestellt.
Kurstag 2
In der zweiten Woche tauschen sich die Teilnehmer über ihre Erfahrungen mit der Durchführung und den Herausforderungen des Body-Scans aus, nachdem dieser erneut gemeinsam praktiziert wurde. Das Kennenlernen unseres eigenen, individuellen Autopiloten wird angeregt. Es folgt eine Einführung in die Schwerpunktthemen Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung sowie automatische Körperreaktionen und eigenverantwortliches Handeln zur Beeinflussung unserer individuellen Gesundheit. Neben weiteren Übungen folgt eine erste Einführung in die Durchführung der Sitzmeditation als weitere formelle Übungspraxis.
Kurstag 3
Am dritten Kurstag wird die Praxis der Sitzmeditation vertieft. Elemente von Yoga und das Kultivieren eines liebevollen Umgangs mit dem eigenen Körper werden vorgestellt und gemeinsam durchgeführt. Es folgt der erste Teil einer Übung zu angenehmen und unangenehmen Empfindungen: Die Teilnehmer setzen sich mit Fragen auseinander, welche Qualitäten angenehme Empfindungen hervorrufen und mit welcher inneren Haltung diese Wahrnehmungen verbunden sind. Im gemeinsamen Austausch werden eigene Erfahrungen und bekannte Reaktionsmuster diskutiert.
Kurstag 4
Der vierte Kurstag vertieft die formellen Praktiken von Yoga und Sitzmeditation. Der zweite Teil der Übung zu angenehmen und unangenehmen Empfindungen wird durchgeführt, wobei das heutige Augenmerk auf den Austausch und das Erfahren von unangenehmen Empfindungen gelegt wird. Gemeinsam werden Reaktionen auf Empfindungen gesammelt, und zwar auf Körper-, Gefühls- und Gedankenebene. Teilaspekte von Stress werden vorgestellt und besprochen: Was war Auslöser, was war die Wirkung des Stressors? Wie können wir unsere Reaktion auf Stressauslöser beeinflussen? Die Teilnehmer werden aufgefordert, im Alltag ihre individuellen Stressfaktoren zu identifizieren, sich anbahnende Stressreaktionen aufmerksam zu registrieren und diese zu beobachten, ohne sie zu verändern.
Kurstag 5
Am fünften Kurstermin stehen weiterhin die Vertiefung der Sitzmeditationspraxis sowie der Körperarbeit im Vordergrund. Die Teilnehmer besprechen in einer Reflexionsrunde zur Halbzeit des Kurses ihre bisherigen Erfahrungen und Herausforderungen. Möglichkeiten zu einem veränderten Umgang mit Stressfaktoren werden diskutiert. Die Teilnehmer werden aufgerufen, ein in den kommenden Tagen aufkommendes schwieriges Gespräch zu dokumentieren und zu reflektieren.
Kurstag 6
Am 6. Kurstag werden die Teilnehmer erneut durch eine Sitzmeditation geführt. In einer Austauschrunde teilen sie ihre Erfahrungen und ggf. auch Fortschritte in Hinblick auf ihre veränderten Stressreaktionsmuster. Es besteht Raum zum Besprechen eines individuell aufgetretenen schwierigen Gesprächs. Achtsame Kommunikation wird im Rahmen von Zweiergruppen geübt und vertieft.
„In der Meditation geht es einfach darum, man selbst zu sein und sich allmählich darüber klar zu werden, wer das ist.“
Jon Kabat Zinn

Tag der Achtsamkeit
Der Tag der Achtsamkeit findet meist an einem Tag am Wochenende zwischen dem 6. und 7. Kurstag statt und dauert etwa 7 Stunden. Er dient den Teilnehmenden dazu, die verschiedenen Aspekte der Achtsamkeit zu vertiefen und er wird in Stille durchgeführt. Die Kursleitung führt die Teilnehmenden durch verschiedene formelle Praktiken wie den Body-Scan, Yoga-Übungen und Sitzmeditation. Achtsames Essen in Stille ist ebenfalls Bestandteil am Tag der Achtsamkeit. Die Teilnehmenden üben, präsent und offen zu sein für jede Erfahrung, die sich ihnen präsentiert; sei sie angenehm, unangenehm oder neutral. Der Tag bietet Gelegenheit, achtsames Gewahrsein zu praktizieren und bereitet die Teilnehmer darauf vor, sich den Methoden der Achtsamkeit auch noch lange nach dem Ende des MBSR-Kurses zu bedienen.
Tag 7
Am siebten Tag erfolgt ein Austausch über die gemachten Erfahrungen am Tag der Achtsamkeit. Die Teilnehmenden werden ermutigt, ihre formelle Praxis von nun an eigenständig und ohne Anleitung für einen Zeitraum von mindestens 45 Minuten täglich zu gestalten und ihre Übungen eigenständig zusammenzustellen. Ziel ist, die Achtsamkeitspraxis individuell im eigenen Alltag zu verankern. Die Teilnehmer werden darin bestärkt, ihren eigenen Bedürfnissen nachzuspüren und entsprechende Handlungen zu unternehmen, um gut für sich und ihren Körper zu sorgen.
Tag 8
Der achte und letzte Tag stellt den Abschluss des MBSR-Trainings dar. Neben der Durchführung formeller Achtsamkeitspraktiken im Kollektiv bietet der Kurstag Raum für Fragen sowie Reflexionen über gemachte Erfahrungen in den letzten Wochen. Die Teilnehmenden werden eingeladen, ihre Erfahrungen mir MBSR offen und ehrlich zu teilen und dabei ggf. auch kritische Aspekte zu erwähnen. Optional besteht die Möglichkeit, einen Brief über die eigenen Reflexionen oder auch über eigene Ziele an sich selbst zu verfassen und zu versiegeln. Dieser wird von der Kursleitung dann zu einem unbekannten Zeitpunkt an den Verfasser gesendet. Des Weiteren werden den Kursteilnehmenden Hinweise zu weiterführenden Praxismöglichkeiten sowie Buchempfehlungen zur Verfügung gestellt.
Links
Buchtipp: Gesund durch Meditation – Das große Buch der Selbstheilung von Jon Kabat Zinn, ISBN: 3426878372
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